Was ist Zeit? Der Quantenphysiker Professor Hermann Nicolai zitiert dazu Augustinus, einen Philosophen, der vor 1.700 Jahren lebte: „Ja, man denkt, das ist etwas völlig Offensichtliches. Und wenn man dann versucht, das zu definieren, was verstehe ich eigentlich unter Zeit, dann kommt man ins Schwimmen.“1
Wenn Sie mehr über die Zeit, die Zeitmessung und unser Zeitempfinden wissen möchten, lesen Sie einfach weiter.
Kluge Köpfe aus allen Jahrhunderten haben versucht, die Zeit zu entschlüsseln. 20 Nobelpreise wurden von der Königlich Schwedischen Akademie bisher für Leistungen rund um die Erforschung der Zeit vergeben. Und doch ist unser Wissen darüber im besten Fall bruchstückhaft. Sicher scheint: Die Zeit läuft seit dem Urknall für uns in eine Richtung, die Abfolge von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ist festgeschrieben und lässt sich nicht einfach umkehren. Dabei dauert die Gegenwart für Menschen laut neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen gerade mal drei Sekunden. Der Münchner Hirnforscher Ernst Pöppel sagt: „Ein Händedruck, ein Blick zurück, eine Zeile eines Gedichts, ein Schluck Wein, all dies dauert ungefähr drei Sekunden und das ist kein Zufall. Das Gehirn fragt sich ungefähr alle drei Sekunden: Was gibt es Neues in der Welt? In diesem Rhythmus aktualisiert sich immer wieder unsere Gegenwart.“2
Menschen haben immer schon versucht, die Zeit mit technischen Hilfsmitteln möglichst genau zu ermitteln. Dafür wurden unterschiedlichste „Werkzeuge“ entwickelt – von der Orientierung an der Sonne und den Sternen über Sand-, Wasser- oder Öllampenuhren bis zu den ersten Chronometern. Seit 1927 messen wir die Zeit mit Quarzuhren. Noch exakter funktionieren nur Atomuhren – die aktuellste von ihnen an der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig braucht 40 Millionen Jahre, um eine Sekunde falsch zu gehen.
Apropos Zeitmessung – wer hat eigentlich den Wecker erfunden? Genannt wird oft der Amerikaner Levi Hutchins, der 1787 eine Art Wecker entwickelte, der allerdings nur zu einer einzigen Zeit – um vier Uhr morgens – wecken konnte. Das offizielle Patent 1847 gehört dem Franzosen Antoine Redier. Bei seinem Wecker war es möglich, Weckzeiten einzustellen.
Und wie und wann lassen wir uns heute wecken? Die meisten Deutschen sind Frühaufsteher. Laut einer Studie von YouGov stehen acht Prozent vor 5 Uhr auf, 20 Prozent zwischen 5 und 6 Uhr und 31 Prozent zwischen 6 und 7 Uhr.3 Dabei lassen sich die Deutschen mehrheitlich vom Smartphone wecken, nämlich 34 Prozent. Von einem klassischen Wecker sind es 26 Prozent, von selbst wachen 19 Prozent auf, 12 Prozent nutzen den Radiowecker und vier Prozent verlassen sich beim Wecken auf den Partner.4
Wir haben kein spezielles Sinnesorgan, um die Dauer von Minuten, Stunden oder Tagen präzise wahrzunehmen. Wer keine Uhr zurate zieht, weiß oft nicht wirklich, wie lange sie oder er sich beispielsweise schlaflos im Bett hin und her gewälzt hat.
Wobei wissenschaftliche Untersuchungen sagen, dass Kinder überhaupt erst im Alter von fünf bis sieben Jahren ein Zeitgefühl entwickeln und es empirische Belege dafür gibt, dass für Ältere die Zeit gefühlt schneller vergeht. Doch woran liegt das?5
1. Menschen setzen Zeit, die sie erleben, ins Verhältnis zu der Zeit, die sie schon erlebt haben. Für einen Zehnjährigen ist ein Jahr ein Zehntel seiner gesamten Lebenszeit, für eine Fünfzigjä̈hrige ist dasselbe Jahr nur ein Fünfzigstel; sie hat schon 49 andere erlebt. Das ist ein Grund, warum Menschen das fünfzigste Lebensjahr viel kürzer vorkommt als das zehnte.
2. Im Alter vergeht die Zeit gefühlt einfach schneller, weil weniger Neues erlebt wird. Von der Kindheit bis zum frühen Erwachsenenalter machen Menschen viele neue Erfahrungen und erwerben unzählige Fähigkeiten – diese werden intensiver und vielfältiger im Gehirn abgespeichert. Erinnern wir uns an die frühen Jahre, scheinen sie deshalb länger gedauert zu haben.
Übrigens: Wir sind auf Zeitmesser angewiesen.
Laut Studien können nur ein Viertel aller Menschen Zeitabschnitte von 1 bis 24 Stunden mit einer Genauigkeit von plus/minus zehn Prozent einschätzen. Das bedeutet, dass drei von vier Menschen ohne Zugang zu Zeitmessgeräten beispielsweise einen Tag mehr als zweieinhalb Stunden länger beziehungsweise kürzer wahrnehmen, als er tatsächlich ist.6
Download: VBL-Geschäftsbericht 2019, PDF, 7 MB
Quellen:
1 mdr.de, Was ist eigentlich Zeit?, 2019.
2 Werner Stangl, Gehirn und Zeit, 2020.
3 YouGov.de, Wenn der Wecker zweimal klingelt, 2016.
4 YouGov Omnibus im Auftrag von Gutes Hören, Aufwachen, aber wie?, 2017.
5 swr2, Psychologie, Warum vergeht die Zeit im Alter schneller?, 2019.
6 Robert Levine, Eine Landkarte der Zeit, 21. Auflage 2019.