VBL legt Revision gegen die Urteile des Oberlandesgerichts Karlsruhe ein. Reform des Finanzierungssystems vom OLG nicht beanstandet.
Karlsruhe. Die VBL sieht rechtliche Bedenken zu den Urteilen des Oberlandesgerichts Karlsruhe (OLG) gegen die Startgutschriften der VBL.
Aus diesem Grund wird die VBL gegen die Urteile des OLG Revision beim Bundesgerichtshof einlegen. Damit ist die Entscheidung des OLG noch nicht rechtskräftig. Das OLG hatte gestern, am 22. September 2005, in 16 Fällen über Klagen gegen die Startgutschriften für Pflichtversicherte rentenferner Jahrgänge entschieden. Das Gericht ist der Auffassung, dass die Übergangsregelungen, auf denen die Startgutschriften beruhen, gegen höherrangiges Recht verstoßen. Die Startgutschriften seien deshalb nicht verbindlich. Allerdings hat das OLG die Reform des Finanzierungssystems nicht beanstandet. Auch führt das Gericht weiter aus, dass ,kein Anspruch auf die Feststellung eines bestimmten (höheren) Wertes-Ü der Startgutschrift bestehe. Eine solche Feststellung durch das Gericht wäre mit der verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie unvereinbar. Laut OLG sei es daher die Sache der Tarifvertragsparteien, die Regelungen zur Startgutschrift unter Beachtung des höherrangigen Rechts neu zu gestalten.
Die VBL hat mit der Überführung der Anwartschaften auf das neue Versorgungspunktemodell eine Grundentscheidung der Tarifvertragsparteien umgesetzt. Die gewählte Berechnungsweise in Anlehnung an die gesetzliche Regelung des § 18 Abs. 2 BetrAVG hält die VBL für richtig. Die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes wurde Ende 2001 grundlegend reformiert. Das bisherige Gesamtversorgungssystem wurde durch ein neues Betriebsrentensystem nach einem Versorgungspunktemodell abgelöst. Ziel war es, die Zusatzversorgung finanziell abzusichern, die Altersversorgung zu vereinfachen und langfristig von der Umlage-Finanzierung in die Kapitaldeckung einzusteigen.
Mit dem Systemwechsel in der Zusatzversorgung hat die VBL die bestehenden Rentenanwartschaften der Versicherten zum 31. Dezember 2001 wertmäßig festgestellt und als sogenannte Startgutschriften in das neue Versorgungspunktemodell übertragen. Gegenstand der vorliegenden Entscheidungen ist die Ermittlung der Startgutschriften wie sie für rentenferne Versicherte (die am 1. Januar 2002 das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten) durchgeführt worden sind.
VBL sieht rechtliche Bedenken zum Urteil des OLG
Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts Karlsruhe ist die Entscheidung der Tarifvertragsparteien aus Sicht der VBL nicht zu beanstanden, für die Berechnung der erdienten Rentenanwartschaften auf § 18 BetrAVG zurückzugreifen. Denn sie berücksichtigt insbesondere die schon im früheren Gesamtversorgungssystem zur Frage der Unverfallbarkeit von Anwartschaften ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung, zum Beispiel im Rahmen der Durchführung des Versorgungsausgleichs.
Das OLG hält die alleinige Anwendung des pauschalierenden Näherungsverfahrens zur Ermittlung der anzurechnenden Bezüge aus der gesetzlichen Rentenversicherung bei den rentenfernen Versicherten für unzulässig. Dies sei aus seiner Sicht auch nicht durch den Verwaltungsmehraufwand begründet, der mit der Berechnung aufgrund einer individuellen Rentenauskunft verbunden wäre. Das Gericht stellt nur auf die durchschnittlichen Mehrkosten im Einzelfall ab, die sich aber allein bei der VBL für 1,7 Millionen rentenferne Versicherte auf insgesamt über 30 Millionen Euro an zusätzlichen Verwaltungskosten belaufen würden. Unbeachtet bleibt der erhebliche verwaltungstechnische Mehraufwand für insgesamt 4,8 Millionen rentenferne Versicherte aller Zusatzversorgungseinrichtungen des öffentlichen und kirchlichen Dienstes, der eine zeitnahe Systemumstellung unmöglich gemacht hätte. Hinzu kommt, dass es äußerst fraglich ist, ob die gesetzlichen Rentenversicherungsträger in diesem Umfang zum Stichtag 31. Dezember 2001 die besonderen Rentenauskünfte für die Zusatzversorgungsträger erstellt hätten.
Nach einer ersten Prüfung ist außerdem festzustellen, dass das Gericht das vorgelegte Zahlenmaterial zum Teil falsch verwendet hat. So stellt das OLG in den Entscheidungen darauf ab, dass die der Berechnung zugrunde gelegte Näherungsrente die hochgerechnete tatsächliche Rente zum Teil erheblich übersteige. Eine Überprüfung hat inzwischen ergeben, dass es sich bei den vom Gericht herangezogenen Zahlen gerade nicht um hochgerechnete Renten gehandelt hat. Die vom Gericht angestellten Vergleiche beruhen also auf nicht vergleichbaren Zahlen.
Nicht nachvollziehbar ist ferner die Vermutung des Oberlandesgerichts, dass die Tarifvertragsparteien anders als bei den rentennahen Jahrgängen und Bestandsrentnern die finanziellen Konsequenzen eines ,erhöhten Besitzstandsschutzes-Ü für die rentenfernen Jahrgänge nicht in ihre Überlegungen einbezogen hätten. Gerade die Entscheidung der Tarifvertragsparteien, angesichts der finanziellen Situation nur den besonders schützenswerten Personengruppen einen über die Anwartschaft nach § 18 Abs. 2 BetrAVG hinausgehenden Besitzschutz zu gewähren, zeigt, dass sich die Tarifvertragsparteien sehr wohl mit dieser Frage auseinander gesetzt haben.